Mord in Rotenhahn - Die Ermordung von vier alliierten Piloten durch Angehörige der Kieler Gestapo
Es ist früher Nachmittag des 29.03.1944. Auf der Bundesstraße 4 bei Rotenhahn (8km südlich von Kiel) kommt ein PKW der Kieler Gestapo (Geheime Staatspolizei) mit drei Insassen zum stehen. Kurz darauf hält ein weiteres Fahrzeug, in dem sich vier Personen befinden. Die sieben Männer steigen aus den Fahrzeugen und begeben sich auf eine angrenzende Wiese, unweit der Bundesstraße. Wenige Minuten später fallen tödliche Schüsse...
Was zuvor geschah: Die Nacht auf den 25.03.1944
In der Nacht zum 25.03.1944 entkommen aus dem Strafgefangenenlager Stalag III Luft in Sagan/Schlesien durch eine spektakuläre Flucht in einem Tunnel 76 dort inhaftierte alliierte Piloten. Vier Piloten wurden durch die Wachmannschaften bereits am Ausgang des 100 Meter langen Tunnels aufgegriffen, einen Tag später sind weitere 23 Piloten nach einer eingeleiteten Kriegsfahndung auf ihrer Flucht gestellt worden. Als Adolf Hitler am 25.03.1944 während einer Routine-Besprechung in Berchtesgaden von dieser Flucht unterrichtet wurde, gab er in größter Erregung den Befehl die auf der Flucht gefassten Piloten nicht der Wehrmacht zurück zu geben sondern sie bei der Polizei zu belassen und an Himmler zu übergeben. Der Leiter des RSHA (Reichssicherheitshauptamt) Kaltenbrunner erhielt daraufhin von Himmler die Order, entsprechende Schritte einzuleiten. Es folgte durch Kaltenbrunner ein Telegramm an alle Gestapo(leit)stellen, die aufgegriffenen Piloten "auf der Flucht" zu erschießen. Die Empfänger des Telegramms (die zuständigen Gestapochefs) wurden angewiesen, nach Kenntnisnahme das Telegramm zu vernichten und die an der Aktion beteiligten Gestapobeamten zum Stillschweigen zu verpflichten.
Bis zum 27.03.1944 wurden 51 Piloten in den unterschiedlichsten Landesteilen des damaligen Reiches aufgegriffen. Neben Danzig, Westpreußen, Sudetengau, Bayern, Saarpfalz und Lothringen, wurden auch vier Piloten kurz vor der dänischen Grenze in Schleswig-Holstein festgenommen. Obwohl alle geflohenen Piloten sich als Zivilisten verkleidet hatten und Ausweise für französische, tschechische oder norwegische Arbeiter bei sich trugen, konnten sie durch die Gestapo gestellt werden.
Bei den in Schleswig-Holstein aufgegriffenen Piloten handelte es sich um
- Major James Catanach, 22 Jahre alt (Australien)
- Oberleutnant Arnold Christensen, 22 Jahre alt (Neuseeland)
- Leutnant Nils Fuglesang, 25 Jahre alt (Norwegen)
- Leutnant Haldor Espelid, 23 Jahre alt (Norwegen)
Diese vier Piloten, in Zivil gekleidet, waren mit dem Zug von Breslau über Berlin bis nach Flensburg gefahren und wurden schließlich bei dem Versuch, die dänische Grenze zu überschreiten, aufgegriffen. Zunächst wurden sie in das Flensburger Polizeigefängnis eingeliefert und die zuständige Gestapo in Kiel über das Aufgreifen der geflohenen Piloten sofort informiert.
In Kiel wurden am Morgen des 29.03.1944 vom Sturmbannführer Schmidt sieben Beamte in sein Büro gerufen. Er teilte ihnen mit, dass ein Sonderauftrag in einer "Geheimen Reichssache" des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) durchzuführen sei. Bei Nichtbefolgen wäre eine schärfste Bestrafung - die Todesstrafe und selbst die Diffamierung der Familienangehörigen zu erwarten.
Die Beamten erhielten ihren Auftrag und den Hinweis auf strengste Geheimhaltung - die Erschießung der vier an der dänischen Grenze aufgegriffenen Piloten. Schmidt befahl Major J. Post die gefangenen Offiziere aus dem Flensburger Gefängnis übernehmen und auf dem Transport von Flensburg nach Hamburg zu erschießen. Nach der Übernahme sollten die alliierten Offizieren in Flensburg noch pro forma, protokollarisch zu ihrer Person vernommen werden. Der Hinrichtungsort wurde bereits zuvor ausgewählt und befand sich auf der Hamburger Landstraße hinter Schulensee. H. Kahler war dafür zuständig einen Karabiner zu beschaffen.
Gegen 13.00 Uhr kamen die sieben Beamten aus Kiel mit zwei PKW in Flensburg an. Mit ihren Flensburger Kollegen begaben sie sich erst mal in die Gaststätte "Harmonie" zum Mittagessen. Die vier Gefangenen wurden nach dem Essen am frühen Nachmittag wie angeordnet kurz verhört und schließlich mit auf den Rücken gefesselten Händen zu den zwei Fahrzeugen gebracht. In dem ersten PKW befanden sich drei Beamte und der Gefangene James Catanach. Zum Teil auf den Notsitzen des zweiten PKW, in dem sich die anderen vier Beamten befanden, saßen die Gefangenen Arnold Christensen, Nils Fuglesang und Haldor Espelid.
Auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte verlor der zweite Wagen durch einen technischen Defekt auf der Eckernförder Straße in Kiel den Anschluss zum ersten Fahrzeug. Dem Fahrer wurde befohlen in die Gutenbergstraße einzubiegen und zur Hansastraße zu fahren, um der Freundin eines der Beamten noch eine Theaterkarte zu übergeben. Anschließend fuhren die Beamten mit ihren Gefangenen zur Hamburger Landstraße bei Rotenhahn und hielten bei der zuvor ausgewählten Exekutionsstätte.
Zwei Beamten wurde befohlen, die Landstraße in beide Richtungen zu sichern, um Passanten von der bevorstehenden Exekution fernzuhalten. Die Gefangenen führte man, noch immer mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, durch ein Gatter auf eine Wiese. Kurz darauf wurde plötzlich von einem der gefangenen Offiziere ein Schrei ausgestoßen, worauf die anderen drei Offiziere einige Schritte auseinander sprangen und dabei von den Beamten mit Pistolen in den Rücken geschossen wurde.
Es ist nicht sicher, ob sich einer der Gefangen aus Schreck hat fallen lassen oder ob er nicht getroffen wurde. Angeblich hat einer der Beamten bei diesem Offizier keine Anzeichen dafür gesehen das er angeschossen war. Ein weiterer Beamter gab dann zwei tödliche Schüsse aus einem Karabiner in den Kopf des am Boden liegenden Offiziers ab, als dieser sich gerade aufrichten wollte. Den anderen Offizieren wurde anschließend mit jeweils einem Schuss aus dem Karabiner, in den Kopf geschossen.
Nach der Hinrichtung wurde den ermordeten Offizieren die Handschellen abgenommen und durch zwei Beamte bis zu deren Abholung bewacht. O. Schmidt erhielt den Befehl, ein Bestattungsunternehmen zu beauftragen, die Leichen zum Krematorium des Friedhofs Eichhof zu bringen und dort einäschern zu lassen.
1947 wurde den sieben Angehörigen der Kieler Gestapo vom Britischen Militärgericht in Hamburg der Prozess gemacht.
Die zwei Fahrzeugführer, die nicht aktiv an der Ermordung der Piloten beteiligt waren, wurden zu einer Gefängnisstrafe von jeweils 10 Jahren verurteilt. Die fünf anderen Gestapo-Angehörigen, denen das Militärgericht eine aktive Beteiligung an der Ermordung nachweisen konnte, wurden zum Tode durch Erhängen verurteilt.
Law-Reports of Trials of War Criminals, The United Nations War Crimes Commission, Volume XI, London, HMSO, 1949
"http://www.phdn.org/archives/www.ess.uwe.ac.uk/WCC/wielen1.htm