Für eine Katalogisierung und Archivierung von Fundmaterial ist es notwendig, entsprechende Flugzeug- und Baugruppenteile korrekt identifizieren und dem jeweiligen Flugzeugtyp zuordnen zu können. Je nach Absturzhergang, Flugzeugtyp und Bodenverhältnissen variiert die ungefähre Anzahl an Trümmerteilen die an einem Absturzort innerhalb der oberen Erdschicht geborgen werden, zwischen einigen Dutzend und mehreren Hundert Fundstücken. In der Regel sind von diesen Trümmerteilen nur etwa 5% für eine Auswertung und Bestimmung und für eine Katalogisierung und Archivierung zu verwenden. Sofern es das Fundmaterial zulässt, durch Auswertung von Ersatzteilnummern oder durch die Bauart bedingten typischen Merkmale, ist auch die ursprüngliche Funktion und die Sektion des Flugzeuges zu bestimmen, in der das Flugzeug- oder Baugruppenteil seine Verwendung fand. Das geborgene Fundmaterial befindet sich nach über 60 Jahren, je nach PH-Gehalt des entsprechenden Fundortes sowie der Qualität und Art des Werkstoffes, in einem unterschiedlichen Zustand. Während einige Werkstoffe wie z.B. Messing, Edelstahl, Kunststoff und Bakelit, ihre lange Lagerzeit relativ gut überstanden haben, zeigt „minderwertiges“ Aluminium meist sehr starke Zersetzungs,- bzw. Korrisionsprozesse. Einen besonders starken Korrisionsprozess zeigen Fundstücke aus Elektron, einer besonderen Aluminiumlegierung. Elektron wurde meist bei Baugruppenteilen wie z.B. Kurbelwellen- und Pumpengehäuse der Motoren eingesetzt. Aluminium, das für die Außenhaut des Flugzeug verwendet wurde, bestand nicht selten aus Duralumin, eine hochwertige und witterungsbeständige Aluminiumlegierung.
Links: Das wenige Zentimeter große Lampengehäuse (Indicator Lamp) besteht aus Messing und einer sehr schwachen Chrom-Nickel-Legierung.
Obwohl nahezu jedes noch so kleine Flugzeugteil der Royal Air Force eine Ersatzteilnummer und einen Prüf- und Abnahmestempel des Herstellers aufweist, sind diese Angaben auf Baugruppenteilen meist nicht vorhanden. Für eine Identifizierung und Zuordnung dieser Fundstücke muss, sofern diese nicht bereits durch Vergleichsmaterial bekannt ist, auf Handbücher zurückgegriffen werden, in denen diese Teile beschrieben und dokumentiert sind. Das Lampengehäuse oben links stammt von einem abgestürzten englischen Bomber vom Typ „Vickers Wellington“. Im Handbuch der elektrischen Baugruppen der Bewaffnung ist dieses Lampengehäuse dem „Automatic Bomb Distributor Type VI“ zugeordnet, der vom Bombenschützen bedient wurde und manuell das automatische Ausklingen der Bombenlast einstellen konnte. Das auf dem Lampengehäuse befindliche, herzförmige und mit zwei Löchern versehene Blech ermöglichte das Auswählen zwischen einer Tag- oder einer Nachtbeleuchtung. Vor dem Auslösen der Bombenlast leuchtete die Lampe auf, sobald die Automatik in Funktion trat, erlöschte die Lampe. Wurde ein Kontakt zum Auslösen geschlossen, leuchtete die Lampe erneut auf. (Bild rechts von Alan Hulme)
Links: Das Bruchstück stammt von einem Zylinderkopf eines 9-Zylinder luftgekühlten Sternmotors vom Typ “Wright 1820-97″ und zeigte nach der Bergung einen sehr starken Oxydationszustand. Oben links sieht man den kaum erkennbaren Kipphebelbock, die Ventilfedern und den Ventilschaft, nach dem der Ventildeckel entfernt wurde. Die Kombination der hier verwendeten unterschiedlichen Materialien (Stahl bei den Ventilfedern und Kipphebel, Kupfer bei den Ventilkegeln, Edelstahl bei der Kipphebelrolle sowie Aluminium beim Zylinderkopf) verursachte hier offenbar eine chemische Reaktion, mit dem noch geringfügig vorhandenen Lagerfett und Ölrückständen.
Nach der Zerlegung des Zylinderkopfes und der mechanischen Teile zeigt das verwendete Material seine hohe Qualität. Das Ventil konnte komplett zerlegt und gereinigt werden und wäre theoretisch, zusammen mit dem Kipphebelbock und Ventilfedern, noch als Ersatzteile zu verwenden.
Auf den ungereinigten Fundstücken lassen sich bereits vorhandene Ersatzteilnummern und Prüfstempel erkennen. Oftmals sind die eingestanzten Nummern nur schwach oder gar nicht zu erkennen, so dass die Fundstücke mittels mechanischer Reinigung nach diesen Nummern abgesucht werden müssen. Die Lage an denen die Nummern und Stempel zu finden sind meist einheitlich, allerdings bedarf es einer langen Erfahrung um diese an den richtigen Bereichen zu finden. Die Ersatzteilnummer des hier gezeigten ovalen Aluminiumbleches lässt sich nach einer mechanischen Reinigung sehr gut ablesen. Aufgrund der vorhandenen Ersatzteilnummer konnte dieses Fundstück der Tragflächenkonstruktion einer englischen „Vickers Wellington IV“ zugeordnet werden.
Die ersten drei Ziffern weisen auf den Flugzeugtyp (hier Vickers Wellington) hin, die vierte und fünfte Ziffern auf die Sektion (hier die Tragflächenkonstruktion) und die sechste bis neunte Ziffern auf das Ersatzteil.
Während eine Zuordnung, bzw. Bestimmung eines Fundstückes mit vorhandener Ersatzteilnummer relativ einfach ist, bringen Baugruppenteile, Teile von Instrumenten, Armaturen und Geräten, auf denen in der Regel keine Ersatzteilnummern vorhanden sind, eine meist zeitaufwendige Recherche mit sich. Eine Zuordnung kann besonders dann schwierig werden, wenn es sich dabei nur Bruchstücke oder kleine Fragmente handelt.
Auf der oben links abgebildeten Messingscheibe sind deutlich eine im Kreis aufgeführte Skala sowie die Buchstaben „SECONDS“ (Sekunden), „KNOTS“ (Knoten) und „MPH“ (Meilen pro Stunde) zu erkennen. Diese Angaben sind hilfreich um dieses Baugruppenteil dem entsprechenden Instrument zuzuordnen, an dem es seine ursprüngliche Verwendung fand.
Die Identifizierung der Messingscheibe wurde durch die hilfreiche Unterstützung amerikanischer Kontakte ermöglicht. Das Bild rechts zeigt die Abbildung eines „Driftmeters“, mit der grafisch eingefügten Messingscheibe an ihrer ursprünglichen Position. Ein Driftmeter ist im Prinzip ein kleines Teleskop, das dem Navigator ermöglichte die durch Seitenwinde verursachte Drift des Flugzeuges zu messen. Das Gerät ermöglichte auch die Bestimmung von Windrichtung und Windgeschwindigkeit.
Das Identifizieren von persönlichen Gegenständen oder von persönlichen Ausrüstungsgegenständen, wie z.B. die Überreste einer Armbanduhr, erfordert eine ganz besondere Aufmerksamkeit, denn hierbei handelt es sich um Gegenstände, die unter Umständen einem Besatzungsmitglied zugeordnet und den Familienangehörigen übergeben werden kann.
Das Auffinden von offensichtlich zivilen, nicht militärischen Fundstücken an einem Absturzort, deren Herkunft, bzw. Zusammenhang zum vorliegenden Absturz nicht erkennbar ist, erfordert ebenfalls eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Fundstücke von der jeweiligen Besatzung stammen, ist relativ groß. Allerdings ist auch in Erwägung zu ziehen, das es sich hierbei um neuzeitliche Funde handeln könnte, die in keinem Zusammenhang zum Absturz stehen. Die auf dem Bild links abgebildete Uhr stammt vom Absturzort einer amerikanischen Maschine, die mit ihrer Besatzung östlich von Kiel abgestürzt ist. Durch Unterstützung amerikanischer Kontakte konnte diese Uhr als eine amerikanische „Bulova“ identifiziert und somit der Besatzung zugeordnet werden.
Persönliche militärische Ausrüstungsgegenstände, wie z.B. Abzeichen, Armbanduhren oder Uniformteile, sind eindeutig als solche zu bestimmen.
In diesem Fall stammen die rechts abgebildeten Gegenstände von einem englischen Besatzungsmitglied, von dem an der Absturzstelle auch zahlreiche menschliche Überreste geborgen werden konnten, die später der britischen Botschaft in Berlin übergeben wurden.
Fundstücke dieser Art, die das Schicksal von einem Menschen bezeugen, der unter Umständen noch als Vermisst gilt oder dessen Todesort bisher nicht bekannt ist, verdeutlicht die anspruchsvolle Aufgabe und Arbeit der Luftfahrtarchäologie. Die Dokumentation dient hauptsächlich der Aufklärung von Schicksalen deutscher und alliierter Flugzeugbesatzungen. Diese Tätigkeit sollte nur von Personen durchgeführt werden, die über die hierfür notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Besonders in den zuständigen Behörden, die eine Sondierung und Bergung von Flugzeugteilen genehmigen müssen und aus staatlicher Sicht für diese Relikte auch Verantwortlich sind, steht man teilweise der Archäologie des 20. Jahrhunderts, bzw. der Luftfahrtarchäologie, kritisch gegenüber und wird häufig als „archäologisch nicht relevant“ abgelehnt. Es sollte jeder zuständigen Behörde bewusst sein, dass mit den Relikten abgestürzter Flugzeuge ein massiver Handel betrieben wird, bei dem ausschließlich das finanzielle Interesse im Vordergrund steht. Eine Auswertung und Zuordnung der Trümmerteile dient dabei nur dem Zwecke der Wertfeststellung.